Der Unfall im Arbeitsverhältnis

In der Praxis stellt sich oft die Frage, wer bei einem Unfall, welche Kosten zu tragen hat. Es gibt die Berufsunfallversicherung, die Nichtberufsunfallversicherung und die private Krankenversicherung. Doch wer ist zuständig, und für welche Art der Erwerbstätigkeit? 

Grundsätzlich sind alle erwerbstätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Schweiz, die in einem Angestelltenverhältnis beschäftigt sind, über ihre Arbeitgeberin oder ihren Arbeitgeber gegen Berufsunfälle abgesichert. Beträgt die wöchentliche Arbeitszeit mehr als acht Stunden, sind diese Personen auch gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen versichert. Für Teilzeitbeschäftigte, deren wöchentliche Arbeitszeit unter acht Stunden liegt, gelten auch Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle.

Doch so einfach, wie sich das anhört, ist es in der Praxis meist nicht, wie der nachfolgend aufgeführte Sachverhalt beispielhaft aufzeigt.    

Sachverhalt:

F., geb. 1960, arbeitete als Haushalthilfe je 1½ Stunden pro Woche bei diversen Arbeitgeberinnen, insgesamt 9 Stunden pro Woche. Von ihrem Lohn wurden keine Abzüge für eine Berufs- oder Nichtberufsunfallversicherung vorgenommen.

Am 23. November besuchte F. auf dem Nachhauseweg von der Arbeit noch ihre Eltern im Nachbardorf. Beim Aussteigen aus dem Bus brach sie sich den Oberschenkel. Sie meldete den Fall der obligatorischen Unfallversicherung der Arbeitgeberin, welche jedoch für die Kosten und den Lohnausfall nicht aufkommen wollte.

 

Wie ist der Fall zu beurteilen?

Frau F. ist teilzeitbeschäftigt und somit eine Arbeitnehmerin. Grundsätzlich ist Frau F., gestützt auf Art. 1a UVG, gegen Berufsunfälle zu versichern, gemäß Art. 13 Abs. 1 UVV jedoch nicht für Nichtberufsunfälle, da die wöchentliche Arbeitszeit bei keiner der Arbeitgeberinnen 8 Stunden überschreitet. Wie Art. 13 Abs. 1 UVV unmissverständlich ausführt, können die verschiedenen Arbeitsverhältnisse nicht zusammengerechnet werden, d.h. jedes Arbeitsverhältnis ist isoliert zu betrachten. 

Gestützt auf Art. 7. Abs. 2 UVG bzw. Art. 13 Abs. 2 UVV sind Teilzeitbeschäftigte, deren Arbeitsdauer das vom Bundesrat festzusetzende Mindestmaß nicht erreicht, für Unfälle auf dem Arbeitsweg versichert. Es stellt sich nun die Frage, ob der Besuch von Frau F. bei deren Eltern als Arbeitsweg anzusehen ist.

 

 

Nach der Rechtsprechung definiert sich der Arbeitsweg als Weg zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsort der versicherten Person (BGE 97 V 207 Erw. 1; RKUV 1995 Nr. U 230 S. 199 Erw. 2b). Zwischen der Reise und der Arbeit muss ein sachlicher Zusammenhang bestehen. Der Grund der Reise muss darin liegen, die Arbeit aufzunehmen oder nach der Arbeit heimzukehren (EVGE 1962 S. 7 Erw. 2). Dabei gilt als Arbeitsweg der kürzeste, während der normalen Zeiten und ohne Unterbruch zurückgelegte Weg. Diese Umschreibung darf aber nicht engherzig ausgelegt werden; vielmehr ist den Umständen des Einzelfalles sowie den herrschenden Lebensauffassungen und Sitten angemessen Rechnung zu tragen (EVGE 1964 S. 13 Erw. 2). Nach älterer Rechtsprechung wurde kein Unterbruch des Arbeitsweges angenommen, wenn der Versicherte vor oder während seiner Heimreise einen Kaffee trinken geht oder wenn er einen kleinen Umweg macht und somit nicht mehr den direktesten Arbeitsweg wählt. Wird aus persönlichen, keine Beziehung zur beruflichen Tätigkeit aufweisenden, Gründen ein größerer Unterbruch oder Aufschub des Arbeitsweges vorgenommen oder ein größerer Umweg gemacht, wurde dagegen der sachliche und zeitliche Zusammenhang mit der Arbeit verneint (EVGE 1962 S. 8 Erw. 2, EVGE 1962 S. 91). 

 

Auch im vorliegenden Fall hat das Bundesgericht entschieden, dass der Besuch der Verunfallten bei den Eltern im Nachbardorf nicht mehr zum Arbeitsweg zählt (BGE 134 V 412). Aus diesem Grund wurden die Kosten des Unfalls nicht mehr durch die obligatorische Unfallversicherung der Arbeitgeberin gedeckt, sondern mussten von der privaten Krankenversicherung getragen werden. Es gilt zu beachten, dass in diesem Fall die private Krankenversicherung nur dann ein Taggeld für den Lohnausfall entrichtet, wenn ein solches zusätzlich in der privaten Krankenversicherung überhaupt auch abgeschlossen wurde. Wurde kein Taggeld in der privaten Krankenversicherung mitversichert, so trägt die private Krankenversicherung lediglich die Heilungskosten, unter Berücksichtigung der vereinbarten Franchise und des zusätzlichen Selbstbehalts. Die Arbeitgeberin hat aber trotzdem eine Lohnfortzahlungspflicht gemäß Art. 324a OR. 

 

(Stand: November 2017)